Nesselwängle: ALMABTRIEB-AUFTAKT IM TANNHEIMERTAL – TRADITION WIRD VON EINEM HIRTEN IN FRAGE GESTELLT (10.09.2023)

Nesselwängle machte heute den Auftakt zu den Tannheimertaler Almabtrieben. Geschätzte 2000 Zuschauer waren eingetroffen, um dieses traditionelle Alm-Sommerende-Spektakel mitzuerleben. Der Bereich des Festzeltes (beim Einsatzzentrum) war ab dem Mittag nahezu bis auf den letzten Stehplatz gefüllt.

Den Auftakt um 14 Uhr machten Ziegen und Pferde, dann etwa 80 Stück Jungvieh von der Krinnenalpe und schließlich noch einmal ca. 80 Stück Rinder der Nesselwängler Edenalpe. Nach dem Durchzug durch das Dorf und dem Festbereich ging es für die Tiere auf die Zwischenweide. In etwa zehn Tagen werden die Tiere der Krinnenalpe von ihren Eigentümern geholt – nahezu alle sind aus dem Tiroler Oberland, die meisten aus dem Ötztal. Die Tiere der Edenalpe gehören durchwegs Tannheimertaler-Bauern.

Es war größtenteils ein Almabtrieb, wie er traditionell von den vielen Urlaubern, die teils extra dafür angereist waren, erwartet wird. Mit vielen Tieren, Hirten und Schellen. Doch genau das war heute bei der Herde der Krinnenalpe anders – das wurde auch gleich vermisst.

Martin Rief, Hirte und Wirt der Krinnenalpe, möchte „die touristische Show“ nicht mehr mitmachen. Er stellt das, was als „Tradition gilt“ schon seit Längerem infrage und heuer verzichtete er gänzlich auf allen „Schnickschnack“ und vor allem auch auf die Stöcke, mit denen das Vieh „geleitet“ wird. Er erhebt durchaus Vorwürfe gegen derlei Almabtriebe, nur damit die Erwartungen der Zuseher nach einem „Almabtrieb-Spektakel“ erfüllt werden.

Martin Rief zu pressefoto-reutte: „Ende der Achtziger, 1987, wurde das mit dem touristischen Almabtrieb hier in Nesselwängle begonnen. Doch was man heute macht, ist nichts anderes, als die Kassen der Veranstalter zu füllen. Ich habe viele Almabtriebe gesehen und ich kann es nicht verstehen, dass man da oft so grob ist“, so der langjährige Hirte. Und er verweist auf die Beziehung, die innerhalb eines Almsommers zwischen Tier und Hirte entsteht. „Da bekommt man die Tiere im Mai oder Anfang Juni, tut mit ihnen drei Monate lang jeden Tag umeinand und dann am letzten Tag, dem Almabtrieb, werden sie einem Stress ausgesetzt und auch geschlagen. Das passt einfach nicht, das ist kein Tierwohl. Ich will des nit. Ich hab’ auch das ganze Jahr keinen Stecken. Ich bin jeden Tag drei- bis viermal beim Vieh. Die kennen meine Stimme, die wissen, ich tu ihnen nichts.“

Martin Rief will deshalb die Almabtriebe nicht endgültig abschaffen, nur das Spektakel reduzieren, unter dem die Tiere seines Wissens nach leiden müssen. „Ich möchte das nicht mehr mit den Schellen, ich will keinen Stecken mehr sehen, ich will einfach, dass die Tiere gemütlich da durchlaufen, dass sie jetzt eine Ruhe haben und sie dann ganz gemütlich zu ihrer Wiese hingehen. Es muss ohne Stress ablaufen – so soll es sein, und nicht so, wie es mancherorts praktiziert wird. Da haben die kleinen Kälblein eine Riesenschelle um den Hals, sodass sie kaum gehen können, weil die Schelle bei jedem Schritt ihre Knie anschlägt“, ärgert sich Rief.

Auf die Frage, dass es doch alte Tradition sei, mit aufgekränzten Tieren als Dank für einen unfallfreien Almsommer heimzureisen, meint er: „Früher war es so, dass nicht jede Kuh einen Kranz oder Schelle gehabt hat, da ist die beste mit dem Hirten vorausgegangen. Das waren meist die Lieblingskühe der Hirten, die anderen sind hinten nachgelaufen ohne Schelle und Kranz. Heute wird es eben ganz übertrieben.“

Für Martin Rief, der seine Tiere bis zu vier Monate auf seiner Alm hütet, sollte der Rummel um den Almabtrieb massiv zurückgeschraubt werden. Der touristische Aspekt ist ihm durchaus bewusst, doch könnte es seiner Ansicht auch ohne Schellen und vor allem ohne Stöcke gehen. „Das war ja auch heute so. Genau vor dem Zelt ist eine vorgelaufen und kriegt dann eine auf den Rüssel, das muss doch nit sein, das darf einfach nicht sein“, beklagt er.

Der streitbare Hirte und Wirt der Krinnenalpe („Die Alpe ist zehn Monate im Jahr offen, Sommer wie Winter“), wird auch nächstes Jahr wieder am Almabtrieb teilnehmen und auch dann wieder ohne Schellen und Stöcke. Er hofft, dass damit ein Umdenken im Verhalten gegenüber den Tieren erreicht wird.

Im Tannheimertal stehen noch folgende Almabtrieb-Termine an:

Grän am Freitag, 15.09.2023, Jungholz am Samstag, 16.09.2023, Schattwald am Samstag, 16.09.2023 und Tannheim am Donnerstag, 21.09.2023. Weitere Informationen hier: https://www.tannheimertal.com/…/die-almabtriebe-im…/

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